Oder sollte die Frage lauten, sucht die Klasse sich den Spieler? Auch wenn das zunächst einmal unlogisch klingt, möchte ich an dieser Stelle darauf eingehen, wie ich nach Jahren in World of Warcraft auf meine Lieblingsklasse, den Wiederherstellungsschamanen gekommen bin.
Alles begann an einem staubigen Tag im Startgebiet der Horde, als ein kleiner Orc-Krieger das Licht der Welt erblickte und seine ersten sehr zaghaften Gehversuche in der Welt des Kriegshandwerks begann. Der Krieger lag mir nicht.
Also schwenken wir auf einen anderen Tag im grünen Mulgore, an dem ein Taure lernte sich in eine Katze zu verwandeln. Jawohl, eine Katze. Der Druide war meine erste Klasse, weil er einfach alles konnte und ich war mir nicht sicher, welche Rolle ich erfüllen wollte: Tank, Heiler oder Schadensmacher. Ich wußte ja nicht, was mich im Endcontent erwartete, also twinkte ich wie ein Weltmeister. Nach einem Serverumzug und etlichen druidischen Eskapaden folgte ein Todesrittertank, den ich mit einem Eintastenmakro durch ICC lotste. Nach WOTLK erfolgte der Wechsel zum Magier und bald darauf wieder zum Druiden, da uns Heiler fehlten. Man kann gut sagen, dass ich wohl zu Anfang von Mists of Pandaria die Nase gestrichen voll hatte vom ständigen Wechseln. Ich wollte Stabilität. Klar, ich twinke gern, aber das sollte kein Dauerzustand sein.
Ich glaube, es geschah so etwa in der Mitte von Pandaria, als der Thron des Donners sich anschickte, die Spieler für sich einzunehmen. Ich besann mich damals auf eine Klasse, die ich in der Drachenseele schätzen lernte.
Eine junge Draenei machte die Azurmythosinsel unsicher und heilte sich fortan im schicken Erbstückblau durch die ersten Instanzen. Dies ging so flott von der Hand, dass ich 4 Wochen später auf Raidniveau dastand. Ich hatte allerdings zu lang gebraucht. Blizzard drohte mit dem nächsten Inhalt und ich würde sie wieder hören, die Unkenrufe meiner Gilde:
Wir brauchen noch die Favourite Class of the Month. Kannst du dir nicht eine hochspielen? Dies Rufe blieben Gott sei Dank aus. Der Schamane wurde mit der Schlacht um Orgrimmar erheblich gebufft. Dies schlug sich in anfangs sehr guten HPS-Zahlen nieder, die auch mich überraschten. So spielte man sich ein.
Kurzzeitig hatte ich aufgrund von Personalmangel den Raidlead inne. Und nein, auch wenn da meine Gilde anderer Meinung war, aber ich wollte diesen Job definitiv nicht, denn ich agiere lieber still im Hintergrund und meckere vor mich hin. Man zwang mich jetzt nach jedem Versuch meinen Senf abzugeben. Ich war ein furchtbarer Raidlead, versemmelte Einsätze, bekam Heilschwierigkeiten und hatte großes Glück einen ambitionierten Tank an meiner Seite zu wissen, der sich auskannte. Das Positive an der Sache war, dass ich allein heilen konnte. Der Schamane war eine verdammte HPS-Schleuder und wir haben viele Bosse einfach zu zweit geheilt.
Mit dem Übergang nach Warlords of Dreanor wuchs mir der Schamane trotz der Nerfs noch mehr ans Herz. Während alle auf Disziplin-Priester rerollten, blieb ich meinem Lieblingsblau treu und heilte mich durch Hochfels und die Scharzfelsgiesserei.
Hat der Schamane mich ausgesucht?
Ich war anfangs ein schlechter Heiler. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich den Schamanen noch immer nicht vollständig durchdrungen habe. Ich entdecke immer wieder Kleinigkeiten, die zur verbesserung der Heilleistung beitragen und analysiere meine Spielweise, aber habe ich meine Klasse verstanden? Spätestens dann, wenn dich jemand fragt, wie man deine Klasse spielt und du mehr als fünf Minuten darüber sprechen kannst, so glaube ich, kannst du davon ausgehen, ein gewisses Klassenverständnis mitzubringen. Die Formel funktioniert nicht immer und sie hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Als ich völlig verzweifelt in Drachenseele feststellte, dass mein Magier keinen Schaden und mein Dk nicht mehr tanken sollte, schaltete ich ab, klinkte mich aus und dachte darüber nach, was ich eigentlich will. Ich liess meine Gilde, die mich im Stich gelassen hatte, ebenfalls zurück und machte mich wieder auf den Weg in ein staubiges Tal, in dem alles begann.
Ein junger Orc erblickt das Licht der Sonne Durotars. Er entfesselte die Elemente, um sich und seine Gefährten zu schützen. Frur nahm die Reise auf sich um am Ende einem Weltenzerstörer die Elemente um die Drachenohren zu schlagen. Deathwing lag vor seinen Füßen und hinterliess einen nachdenklichen Spieler. Diese Wildheit und Entschlossenheit im Gesichtsausdruck. Ich wechselte wieder zur alten Gildengruppe und zur besagten Draenei-Schamanin auf Allianzseite.
Und dann war da dieses rauhe Heilen, wie ich es gern nenne. Innerhalb von Sekunden kann ich meine Gruppe vor dem sicheren Tod bewahren und mehrere Trys drehen. Ich habe mehrere Möglichkeiten(CDs) Mitspieler zu retten. Ich stehe also nicht nur da und verteile Schilde, sondern werfe Wasser durch den Raid. Meine Heilung wird gesehen. Vielleicht ist es dieser optische Effekt, der mich beim Schamanen hält, da ich so den Mitspielern mitteile, dass ich noch da bin und wir das schon hinbiegen. Ich will diesen einen Moment, in dem ein Spieler kurz vor der Kippe steht und ich ausrufen kann: 'Nein, nicht jetzt! Nicht heute! Du wirst leben!' Und ich will dass dieser Wunsch am Ende kein blosser Gedanke bleibt, sondern dass dieser Spieler den Try überlebt und wir am Ende die Beute unter uns aufteilen können. Versteht mich nicht falsch. Mein Wohlwollen gilt der ganzen Gruppe, aber hin und wieder stellt einen das Spiel vor eine solche Situation. Dafür mag ich den Schamanen, denn er hat mich ausgesucht.