Freitag, 4. September 2015

Der Kalte Krieg im Spiel: Fallout

In den derzeitigen Nachrichten wird immer wieder ein historisches Bild bemüht, wenn es um den Konflikt in der Ukraine geht. Das Bildnis des Kalten Krieges ist jedoch komplex und als Historiker muss ich dem Laien widersprechen, denn es ist kein ideologisch verbrämter Konflikt wie das Original des 20. Jahrhunderts, sondern die derzeitige Auseinandersetzung ist gekennzeichnet durch Machtansprüche und wechselseitige Propaganda, die immer wieder mit der Frage nach dem Huhn und dem Ei mündet. Zudem ist dieser Krieg regional begrenzt. Aber lassen wir das und schauen wir uns den wirklichen Kalten Krieg einmal kurz an, bevor wir uns Fallout selbst widmen.

Der kalte Krieg als Begriffskonstrukt reicht weit, sogar sehr weit zurück. Thomas Hobbes schrieb im 17. Jahrhundert sein berühmtestes Werk, den Leviathan. Er sehnte einen absoluten Souverän herbei und sah darin die einzige Lösung um Krieg zu vermeiden. Er geht dabei auf die unterschiedlichen Formen des Krieges ein. Ohne ihn explizit so zu benennen, spricht Hobbes von einem Naturzustand zwischen Staaten, der jederzeit in Gewalt ausarten kann. Die Staaten befinden sich sozusagen in der Lauerstellung.

Im 20. Jahrhundert, genauer 1946 beschreibt George Orwell genau dieses Phänomen als Kalten Krieg, als er die Beendigung der diplomatischen Beziehungen Moskaus gegenüber Londons erwähnt. Im selben Jahr beginnt dieser Konflikt, der sich weitläufig auf den Konferenzen während des Zweiten Weltkrieges in Teheran, Jalta und nach dem Krieg in Potsdam angedeutet hatte. Es kam zu mehreren Zerwürfnissen, als sich Ost und West voneinander territorial abgrenzten. Die Sowjetunion hielt den Iran 1946 besetzt, obwohl sie ihn laut Vertrag hätte räumen müssen. Es bestand ein russisches Interesse am Öl. Auch die Amerikaner waren hellhörig geworden und drängten Stalin seine Truppen abzuziehen. Dieser wiederum etablierte eine Marionettenregierung im Iran, damit dort nach seinen Vorstellungen gehandelt wurde. Die Amerikaner drohten schlussendlich mit dem Einsatz von Atomwaffen. Vorerst zogen sich die Russen zurück, sorgten aber dafür, dass sich ein Teil des Irans abspaltete, der von Kurden und Aseris bewohnt wurde - der ölreiche Norden, später Aserbaidschan genannt.




Die Drohung Trumans und die Sturheit Stalins hatten den Kalten Krieg endgültig entfacht. Die Hintergrundbedrohung dieses Ost-West-Konfliktes bildeten die Atombomben beider Seiten. Als sich die Bedrohung durch diese verheerende Waffe zuspitzte, entwarfen beide Supermächte Szenarien für das Leben nach dem 3. Weltkrieg. So entstanden unterirdische Bunkeranlagen (Vaults) auf der ganzen Welt. In Berlin kann man ein regelrechtes Netzwerk dieser Anlagen noch heute besuchen. Trotz dieser Massnahmen hat die Bevölkerung eher verhalten und äußerst fatalistisch reagiert. In der Sowjetunion sollen Befragte geantwortet haben, dass man sich im Falle eines atomaren Angriffs ein weißes Laken über den Kopf hängen müsse um dann zum Friedhof zu robben. Wenn man Glück habe, käme man dort auch an.



Fallout schlägt nun in genau diese Kerbe. Wie verhalten sich die Menschen nach dieser atomaren Apokalypse? Fallout setzt voraus, dass es Menschen gibt, die entsprechend lang in diesen Vaults aushalten, stellt sich aber auch der Möglichkeit, dass es Überlebende an der Oberfläche gibt. Wie läuft so ein Leben mit Naturgesetzen ab? Hobbes würde vermutlich antworten, dass sich die Menschen wieder im Naturzustand befänden. Ein Krieg aller gegen alle wäre die Folge, da es keine geordneten Gesellschaften und Regeln gibt, keine Nationalstaaten. Wie in Fallout würden sich die Menschen wieder voneinander in Gebieten abgrenzen und wie Wölfe in Rudeln agieren. Der Mensch ist des Menschen Wolf, hatte Hobbes es genannt.
Fallout setzt hier an und schreibt seine eigene Vision: Anarchie, Raub, Plünderung und Mord sind das Leben der Raider, die die wenigen Siedlungen terrorisieren. Die Brotherhood of Steel versucht in den Brachlanden wieder für Ordnung zu sorgen und ist dabei ideologisch so verbrämt, dass sie sich selbst im Weg stehen. Außenseiter, Ghule und Mutanten rotten sich schließlich zusammen und gründen eine eigene Nation. Dann wären da noch die Vaultbewohner aus denen sich dann auch der Held rekrutiert. Das Leben in der Vault spiegelt das Dasein in einer geordneten Gesellschaft wider. Der Spieler soll mit der Außenwelt konfrontiert werden und muss versuchen sich in ihr zurecht zu finden.



Fallout befördert den Mensch zu seinen Anfängen und stellt auch den Spieler vor die Wahl wie er in dieser Welt agieren möchte. Seine Entscheidungen haben Einfluss auf spätere Konflikte im Spiel. Wenngleich der Kalte Krieg im Spiel nur als Vorwand genommen wurde um eine Geschichte zu vervollständigen, so spiegelt Fallout die Ängste der Menschen dieser Zeit passend wieder. Das Szenario ist nämlich kein positives und die Entwickler zeichnen ein sehr düsteres Bild ihres spekulativen Universums. Sie fragen, was wäre, wenn der Kalte Krieg heiß geworden wäre. Unmissverständlich wird dem Spieler vor Augen geführt, dass die Welt in Fallout keine wünschenswerte ist. Zudem ist der Protagonist ein ständiger Nomade, der sich, rastlos, unendlich vielen Gefahren ausgesetzt sieht. Ich persönlich habe keine Lust in der Realität auf RAD-Skorpione zu treffen.

Das sogenannte Wasteland oder Brachland in Fallout 3 - zerstörte Zivilisationen


Am Ende eines Konfliktes steht dieser Satz, der in Fallout besondere Bedeutung erlangt hat und im Laufe der Fallout-Reihe stets im Intro zitiert wird:

War, War never changes. 

Ich verstehe den Satz so, dass Kriege durchaus unterschiedlich ablaufen, jedoch erstens immer wiederkehren, denn bisher kam kein Jahrhundert der Menschheitsgeschichte ohne größere Konflikte aus und das Ergebnis ist meist auch dasselbe: zerstörte Landschaften, Rückgang des Fortschrittes auf regionaler Ebene, der zu einem Ungleichgewicht führt und zerrüttete Gesellschaften.

Fallout spielt also ein Szenario durch, dass sich mit Zivilisationsängsten befasst und Filme wie Mad Max zitiert. Wenn man sich durch die Ruinen kämpft, trifft man dabei immer wieder auf den modischen Schnickschnack der 50er Jahre. Bei manchen Ruinen fragt man sich, wer dort wohl gewohnt hat. Man findet Fotos der Familie und Spielzeug der Kinder. All das zeigt den Weg der Menschheit in die Katastrophe und protokolliert das Leben vor der Vernichtung. Der Kalte Krieg ist in diesem Spiel als vergangenes Element präsent. Schon im Intro hört man das vertraute Knacken eines Schallplattenspielers, dass den Spieler in diese Epoche zieht.
Die Vault-Figur mit der blonden Locke ist eine Reminiszenz an Werbungszeichnungen der Zeit des Kalten Krieges. Sie lächelt einen Optimismus herbei, der nicht existent gewesen war und zugleich verweist sie auf die Hoffnung der Menschen in diesen Jahren.

Die Fallout-Reihe ist für mich ein prägendes Erlebnis gewesen und hat meine Begeisterung für Geschichte entschieden verstärkt. Jeder, der nach geschichtlichen Themen in Spielen sucht, ist hier bestens aufgehoben.


Leerlauf: Wie gehts weiter?

Ein paar Kollegen und Games-Fanatiker haben begonnen ihre eigene Gamesseite zu basteln. Ich darf dort Gastbeiträge schreiben, weswegen ihr dort mal vorbei schauen solltet. Nicht wundern, denn die Seite ist gerade im Aufbau. Vielleicht steuere ich demnächst etwas zum Thema Guild Wars 2 hinzu.

Ich persönlich plane gerade einige Artikel. Jüngster Auswurf ist die "Always trouble with the gender"-Reihe auf dem Hermann-Darnell-Blog, den ich explizit für die Tafelrunde schreibe. Alle Sachen, die mit Star Trek irgendetwas zu tun haben, landen dort. Bei Gelegenheit werde ich hier etwas ausführlicher über die Tafelrunde hier berichten um euch einen Eindruck zu verschaffen.

Verstärkt möchte ich auf die Philosophie in Spielen zu sprechen kommen und mein zweitliebstes Thema Geschichte mit dem Spielen verbinden. So fände ich das Thema Kalter Krieg in Spielen unheimlich interessant und könnte mit ausgewählten Spielen etwas dazu beitragen.

Bedanken muss ich mich bei dem guten Draelor, der mich daran erinnert hat, dass trotz Raiden, der allgemeinen Verunsicherung und der vielen Arbeit auch das Schreiben niemals zu kurz kommen darf.

Danke dafür.